Das „Städtchen Nr. 7“
Nach der Reichsgründung im Jahre 1871 wurde
die Nauener Vorstadt in Potsdam mit repräsentativen
Stadtvillen bebaut. In der Folgezeit ließen sich
hier berühmte preußische Familien nieder – z.B.
von Bismarck, von Oppen, von Mirbach. In diesem
Viertel befanden sich auch die Villen einiger am
Attentatsversuch auf Hitler vom 20. Juli 1944
Beteiligter sowie von Mitgliedern der Bekennenden
Kirche. Die Sowjetische Militäradministration
(SMAD) requirierte unmittelbar nach dem Ende der
Potsdamer Konferenz im nahe gelegenen Schloss
Cecilienhof (17. Juli – 2. August 1945) das Gebiet
am Neuen Garten.
Nach Vertreibung der Bewohner wurde um das
Gebiet eine zwei Meter hohe Mauer gebaut und
durch Wachtürme gesichert. Von den rund 15.000
Angehörigen der sowjetischen Armee, die in
Potsdam stationiert waren, durften lediglich hohe
Offiziere und ihre Familien in das „Militärstädtchen
Nr. 7“ einziehen. Des weiteren befanden sich in
dem „Städtchen Nr. 7“ die Kommandozentralen der
sowjetischen Geheimdienste sowie für einige
Monate auch die Hauptverwaltungen der verschiedenen
Waffengattungen der Roten Armee.
Im Jahre 1994 gaben die russischen Streitkräfte
das 16 Hektar große Gelände an die Bundesrepublik
zurück.
Bis Ende 1995 wurde der größte Teil der 110
Häuser und Liegenschaften an die Alteigentümer
rückübertragen.
Das Haus Leistikowstraße 1
Im Jahre 1916 wurde das Haus des 1888 unter
der Schirmherrschaft von Kronprinzessin Auguste
Viktoria gegründeten „Evangelisch-Kirchlichen-
Hilfsvereins“ (EKH) gebaut. Die damalige Mirbachstraße
1 beherbergte bis 1945 die Büroräume der
vom EKH gegründeten „Frauenhilfe“ sowie die
Dienstwohnung des leitenden Pfarrers.
Nach der Beschlagnahmung durch die SMAD im
Sommer 1945 wurde das Haus zum Gefängnis für
die sowjetische Spionageabwehr umgebaut. Die
SMAD inhaftierte hier zwischen August 1945 und
Frühjahr 1947 die von Militärtribunalen verurteilten
Gefangenen, bevor sie in andere Lager und
Gefängnisse verlegt oder erschossen wurden.
Seit Frühjahr 1947 diente das Haus als Untersuchungsgefängnis
der Spionageabwehr für das
gesamte Gebiet der SBZ/DDR mit Ausnahme
Ost-Berlins.
Deutsche Staatsangehörige waren hier nachweislich
bis 1953 inhaftiert. Ab 1955 wurde das
Gefängnis von Militärgerichten für sowjetische
Staatsangehörige genutzt. Es ist nachweisbar,
dass bis mindestens 1983 sowjetische Soldaten
inhaftiert waren. Bis zum Abzug der russischen
Truppen 1994 diente das Haus vermutlich als
Lager für Chemikalien und anderes.
Die Mirbachstraße wurde in der sowjetischen
Besatzungszeit in „Uliza Sportiwnaja“ (Sportstraße)
umbenannt. Heute heißt sie Leistikowstraße.