Verhöre

In den ersten beiden Nachkriegsjahren wurden in der Leistikowstraße 1 Häftlinge entweder bis zu ihrem Weitertransport in andere Gefängnisse oder – die zum Tode Verurteilten – bis zur Vollstreckung des Urteils untergebracht.
Spätestens seit 1947 wurden hier auch Untersuchungen durchgeführt.

Das Nachbarhaus des
Gefängnisses –
Ort der Verhöre

Man hat mich doch gleich beim ersten Mal
gefragt, wo Hitler sei... Da habe ich gesagt:
‚Woher soll ich das wissen?‘
Ich bin ja nicht einmal in Berlin gewesen.
Das half alles nichts... Und dann ging das los
mit der illegalen Gruppe, dem Werwolf.
Also der eine Freund, der hätte gesagt,
dass ich eine Pistole hätte,
dabei besaß ich sowas gar nicht.
Man konnte ja nichts sagen,
weil man ja nichts verbrochen hatte
  • Untersuchungsmethoden
  • Geständnisse

Untersuchungsmethoden

Ab 1947 diente das Haus der sowjetischen Spionageabwehr als Untersuchungsgefängnis.

Seit dieser Zeit wurden sowohl hier als auch im Nachbargebäude angebliche Werwölfe oder vermeintliche und tatsächliche Spione verhört.

Neben dem Vernehmungsoffizier und dem Gefangenen war eine russische Dolmetscherin oder ein russischer Dolmetscher anwesend, die allerdings selten für eine exakte Übersetzung sorgten. Verhört wurden die unter ständigem Schlafdefizit leidenden Gefangenen meist nachts.

Der Rhythmus der Verhöre war Teil einer umfassenden Zermürbungstaktik. Manchmal fanden wochenlang überhaupt keine Verhöre statt, zeitweise hingegen jede Nacht. Oft mussten die Gefangenen, schon zum Verhör geholt, noch stundenlang warten oder dem Vernehmungsoffizier beim Essen zusehen. Auch wurden ihnen ihre in den Hof gebrachten Verwandten gezeigt, ohne dass ihnen gesagt wurde, was mit diesen passieren würde.

Die Verhöre dauerten jeweils viele Stunden. Am Ende mussten die Gefangenen ein vom Vernehmungsoffizier angefertigtes Protokoll unterzeichnen. Einige Häftlinge sind brutal misshandelt worden. Dabei wurden Schläge, Quälereien mit brennenden Zeitungen und das erzwungene Sitzen auf einer Flasche mit Kronkorkenverschluss bei heruntergelassenen Hosen angewendet. Einige Häftlinge wurden bis zu fünf Tage in einen Karzer gesteckt, eine etwa einen Quadratmeter enge Zelle, in der sie auch nachts nur stehen durften und nichts zu trinken bekamen. Manche Häftlinge berichten von einem überhitzten Karzer, andere von einem, in den knöcheltief Wasser eingelassen wurde.

Geständnisse

Fast jeder Häftling erlag der zermürbenden Behandlung und unterschrieb die ihm vorgelegten Protokolle. „Ich war froh, als ich den roten Faden erkannt hatte, auf den die hinaus wollten“, erzählt einer. Ein anderer: „Irgendwann erfindet der Gefangene eine Legende, lernt sie wie ein Gedicht auswendig und fragt die Zellenkameraden: ‚Stimmt es jetzt?‘, um sich nicht in Widersprüche zu verwickeln.“

Da belastendes schriftliches Material oder andere Indizien fast nie existierten, blieb die Grundlage für eine Verurteilung ein Geständnis. Verurteilt werden konnte in diesen Fällen nur, wer sich selbst beschuldigte oder von anderen ausreichend beschuldigt wurde. Die Untersuchungsoffiziere versuchten deshalb, Zellenspitzel anzuwerben.

„Die Methoden haben sich eigentlich immer wiederholt: Drohung oder Schmeichelei mit Zigaretten und Essen, was Sie meistens nicht kriegten... Es wurde Ihnen permanent Angst gemacht, oder Sie standen bloß ’rum – drei, vier Stunden für nichts. Dann wurde Ihnen gedroht, dass Sie erschossen werden. Dann schlug der einem unvermittelt ins Gesicht, ohne dass Sie wussten, warum... In diesem Keller bist du nach einer gewissen Zeit so fertig, da bist du bereit zuzugeben, dass deine Mutter gar nicht gelebt hat. Also ich war froh, dass ich einen Punkt fand, wo ich denen was zugeben konnte, bloß um da ’rauszukommen.“ (ein ehemaliger Häftling)

„Mein Untersuchungsrichter haute mal mit dem Lineal mit der scharfen Kante ins Gesicht oder ins Genick... Und jede Nacht hat er mich ’rausgeholt. Und wie er mich so lange genervt hat, da hab ich mir gedacht, na, dem wirst du mal was erzählen. Da hab ich dem erzählt, ich habe 1948 bei Plauen russische Offiziere über die Grenze gebracht und der ist aufgesprungen und war glücklich, weil er endlich was hört, und er hat 20 DIN-A4-Seiten vollgeschrieben, und als er fertig war morgens um vier, da hat er nur noch gesagt: ‚Und jetzt noch unterschreiben.‘ Da habe ich gesagt: ‚Einen Moment, unterschreiben tu ich das nicht. Wenn bei Ihnen nur ein kleines bisschen Ordnung herrscht, können Sie nachprüfen, dass ich 1948 noch in Kriegsgefangenschaft war.‘ Der Nächste hat unheimlich zugeschlagen.“ (Irmfried Hans-Joachim Kermeß)

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